Nichts
für Weicheier ist auch die Mann-gegen-Mann-Action. So kann es einem
der Scouts passieren, dass er während eines seiner Rundgänge auf einen
einzelnen vietnamesischen Soldaten trifft und sich mit ihm einen
unbewaffneten Kampf liefern muss. Allerdings scheinen die Jungs von klein
auf Kickboxen trainiert zu haben, denn nicht selten wird unser Scout vom
feindlichen Kämpfer vernichtend geschlagen. Zudem geht der eigene Mann
meist schon stark geschwächt in den Kampf und selbst, wenn er knapp
überlebt, wird er
auf der beschwerlichen Weiterreise schnell zu einem
Problemfall werden. Als beste Taktik hat sich erwiesen, den Gegner mit
hohen Tritten auf Distanz zu halten und immer wieder einen schnellen
Schritt zurück zu tun. Auch hier bleibt dem Spieler die Möglichkeit zum
Rückzug, was aber weniger ratsam ist, da der einsame Feind meistens mit
Verstärkung zurückkommt und man in einen unerwarteten Hinterhalt gerät
(siehe Actionsequenz Numero eins).
Zu guter letzt kann man auf ein Minenfeld stoßen. Hat man einen Mann aus
der Truppe erwählt, muss dieser über das Minenfeld kriechen und mittels
Stochern (Feuerknopf drücken) die Ränder vermeintlicher Minen freilegen.
Gerät er dabei in irgendeiner Weise an den Auslöser, ist er sofort tot.
Bei der ganzen Aktion muss man im Auge behalten, dass auf Grund des
weichen Bodens die Minen nicht sehr lange sichtbar bleiben.
Für ein Bestehen der Actionsequenzen ist übrigens die Wahl des Scouts
nicht unerheblich. So verrät uns die Anleitung, dass Blom den zweiten Dan
im Aikido besitzt, was ihn für die Zweikämpfe natürlich prädestiniert.
Bachman hingegen ist ein Meisterschütze, daher sollte er sich um
Heckenschützen kümmern. Bei den anderen Charakteren wackelt das Gewehr
teilweise wie ein Kuhschwanz.
Nach erfolgreichem Bestehen einer Kampfhandlung sollte man unbedingt die
Umgebung genauer untersuchen. Nicht selten stößt man dabei auf Vorräte,
Munition oder Granaten der erledigten Vietcongs.
Zusätzlich
zu diesen fünf kämpferischen gibt es außerdem noch fünf Charakter
Zwischensequenzen. So begegnen den Soldaten beispielsweise vereinzelte
Farmer auf einem Reisfeld, oder man stößt auf ein Dorf. Man kann die
Vietnamesen
entweder
freundlich oder mit aller Härte befragen und sogar einen oder alle töten,
denn nicht selten
lauert hinter einem freundlich lächelnden Bauern ein
Hinterhalt oder ein kleiner Junge aus dem Dorf verübt einen Anschlag mit
einer Granate auf einen der U. S. Soldaten. Wenn man allerdings ein ganzes
Dorf
liquidieren lässt, ohne genau zu wissen, ob dessen Bewohner wirklich
Anhänger der Vietcongs waren, dann schlägt das den Männern natürlich
entsprechend auf die Moral. Zwar verstehen die Farmer oft gar kein oder
nur wenig Englisch (der Wortschatz beschränkt sich im Prinzip auf
„Nahrung“ oder „Munition“), aber selbst wenn die Dorfleute behaupten, die
Vietcong hätten ihnen alles gestohlen, kann es gut sein, dass man, wenn
man die Umgebung genauer untersucht, einen geheimen Tunnel findet, in dem
Vorräte und Waffen versteckt sind. Wie wir aus der Anleitung ebenfalls
erfahren, ist Gomez unser kleinster und schmächtigster Charakter. Nur er
kann in die winzigen Tunnel klettern. Ist Gomez bereits tot, wird man
niemals erfahren, was sich wirklich im Tunnel befunden hat.
Aufgelockert
wird das Spielgeschehen von insgesamt 28 unheimlich atmosphärischen und
toll gezeichneten Zwischenbildern, von denen 10 sogar animiert sind. So
seht man zum Beispiel vor einem Kampf mit einer V. C. Patrouille einen
Soldaten, der aus einer Stellung heraus schießt, mit Mündungsfeuer,
wegfliegenden Patronenhülsen und sogar dem Rückstoß des Maschinengewehrs.
Aber auch die unbewegten Zwischenscreens sind wirklich beeindruckend,
nutzen sie doch die zur Verfügung stehenden 32 Farben optimal aus. So
sieht man seine Soldaten durch das Wasser watend, durch ein Reisfeld
stapfend, einen felsigen Hang heruntersteigend oder einfach nur
wunderschöne Landschaftsbilder, wie einen Fluss, der vor einer Bergkette
entlang fließt.
Zusätzlich zu diesen Zwischenbildern haben die Programmierer noch fünf
digitalisierte Filmsequenzen eingebaut, die gelegentlich in einem kleinen
Fenster auf der Karte eingespielt werden. In diesen kurzen
Schwarz/Weiß-Filmchen sieht man Szenen echter Soldaten, die sich durch
unterschiedlichstes Gelände bewegen.
Ein weiteres Highlight ist die Musik. Man bekommt zwar während des
gesamten Spiels nur ein einziges Musikstück auf die Ohren, welches zudem
noch in relativ kurzen Abständen wieder von vorne beginnt, aber zum Glück
zu der Sorte Songs gehört, die man wirklich stundenlang hören kann. Die
Musik unterstreicht die dichte Atmosphäre des Spiels noch einmal. Manche
der Zwischensequenzen sind mit zusätzlichen kurzen Musikstückchen
unterlegt, die dem Hauptthema in nichts nachstehen. So erscheint im Falle
des Todes eines unserer Soldaten ein, in gelbes Dämmerlicht getauchtes,
Bild, auf dem ein schlichtes Soldatengrab in Form eines, auf einen Stock gesteckten, Helms, dessen Kinnriemen sich sanft im Wind bewegt,
dargestellt wird. Dazu ertönen traurige Klänge aus den Boxen.
Bei
soviel Heldenromantik muss man aber wie anfangs erwähnt festhalten, dass THE LOST PATROL
den Krieg
keineswegs glorifiziert, sondern versucht, seine Schrecken möglichst
detailreich einzufangen. So senkt der anstrengende Marsch durch den heißen, schwülen Dschungel die Moral der
Männer
stetig und es kann schon einmal vorkommen, dass der ein oder andere
Soldat nicht weiterlaufen kann oder will und zum Sterben zurückgelassen
werden muss oder dass die Mannschaft den Glauben in Weavers Fähigkeit, die
richtigen Entscheidungen zu treffen, verliert. Auch führt das wahllose
Töten zu Motivationsverlust der Truppe und das Spiel lässt sich rein
theoretisch auch zu einem erfolgreichen Ende führen, ohne dass man auch
nur einen einzigen Menschen verletzt hat.
Auch wird in keiner Wiese impliziert, dass die Intervention der U. S. A.
in Vietnam gerechtfertigt war. Das Entwicklerteam stammt übrigens aus
Großbritannien und steht nach eigener Aussage diesem Kapitel
amerikanischer Geschichte äußerst kritisch gegenüber.
Der Schwierigkeitsgrad von THE LOST PATROL passt sich der Spielweise an.
Eine Ideallinie gibt es mit ziemlicher Sicherheit nicht, da die
Actionsequenzen per Zufallsgenerator ausgewählt zu werden scheinen. Wer es
jedoch eilig hat, wird in diesem Spiel sehr bald die Quittung dafür
erhalten. Marschiert man ungeduldig und unbedacht einfach ins Blaue
hinein, ohne seine Männer zur Ruhe kommen zu lassen, ist oft die halbe
Mannschaft schon tot und der Rest der Männer schwach und unmotiviert,
bevor man auch nur die erste Hälfte des ersten Bildschirms überwunden hat.
Wichtig ist, jeden Schritt genau zu planen und mit viel Vorsicht
vorzugehen. Das erfordert natürlich viel Geduld. Theoretisch könnte man
das Game in 3 Tagen (entsprechend etwa 2 Stunden Echtzeit) durchspielen,
dann gehen die Chancen auf einen erfolgreichen Abschluss jedoch klar gegen
Null. Man sollte sich ruhig eine Woche oder mehr (Spielzeitrechnung) Zeit
nehmen, um ans Ziel zu gelangen, Du Hoc läuft ja nicht weg.
Der einfachste Trick
ist, die Männer in möglichst kurzen Abständen für 10 Minuten rasten zu
lassen. Dabei steigen Ausdauer und Motivation jedes Einzelnen wieder um
zwei Prozentpunkte an. Man könnte also mit konsequentem Rasten alle sieben
Mann mit maximalen Werten bis zum Stützpunkt leiten. Dies wäre zwar
genauso langweilig wie auch langwierig, es beweist aber, dass das Spiel in
keinem Fall unlösbar ist.
Dabei sollte man darauf achten, dass man immer nur 10 Minuten rastet,
nicht länger. Denn ganz egal, wie lange die Rast dauert, die Werte steigen
immer nur um zwei Prozent an. Eingraben sollte man sich auch nur zum
nächtlichen Schlaf. Lässt man die Männer zwischendurch mal für ein
Stündchen schlafen, so werden sie sich hinterher über die zu kurze
Schlafdauer beklagen.
Bei dieser Schlaf- und Rast-Funktion liegen auch die beiden einzigen
kleineren Ungereimtheiten des Spiels: einerseits kann man sich fragen,
wozu unterschiedliche Rastdauern auswählbar sind, wenn die Männer nach
längerer Pause auch nicht mehr erholt sind. Zum anderen ist es eben
seltsam, warum sich die Männer nach ein oder zwei Stunden Schlaf tagsüber
beschweren, auch wenn sie nachts zu genügender Ruhe gekommen sind.
Als
nächstes möchte ich das Augenmerk noch auf die unterschiedlichen Versionen
von THE LOST PATROL richten.
Es existiert ein inoffizielles Pre-Release, welches sich auf Grund seiner
Verbreitung als frühe gecrackte Version einer wesentlich größeren
Bekanntheit erfreut. Diese muss irgendwie bei Ocean vom Schreibtisch
weggeklaut und
illegal in den Umlauf
gebracht worden sein.
Den Unterschied merkt man gleich zu Anfang. Denn die finale Version 1.0
fragt uns noch vor Spielbeginn, ob wir THE LOST PATROL in englischer,
französischer oder deutscher Sprache spielen möchten.
Auf Screenshots erkennt man den Unterschied auch sofort. In der fertigen
Version ist die Leiste mit Datum und Uhrzeit grün, im Pre-Release ist sie
weiß und
man
kann sich zudem zu jeder Tages- oder Nachtzeit fortbewegen, da diese
Unterscheidung noch nicht eingebaut wurde.
Das Pull Down-Menü sieht im endgültigen Spiel auch etwas anders aus. So
kann man unter den Spieloptionen jetzt auch ins RAM sichern oder von dort
einen Spielstand laden, außerdem gibt es nun fünf anstelle von vier
Menüpunkten. Ferner steht in den Gamecredits als Hinweis „Release 1.0“.
Des Weiteren wurden folgende Sequenzen abgeändert: Die Befragung wurde
entschärft. Im Pre-Release wurde der Verhörte noch geschlagen, wenn man
eine harte Befragungstaktik einschlug, im fertigen Spiel kann man
lediglich noch mit scharfem Ton befragen.
Im oben beschriebenen animierten Zwischenscreen mit dem feuernden
MG-Schützen wurde die Schussrate deutlich erhöht.
Der gravierendste Unterschied zeigt sich aber bei der Minenfeld-Sequenz.
In der frühen Version funktioniert diese nämlich überhaupt nicht und das
Spiel stürzt ab.
Zum
Schluss will ich noch kurz darauf eingehen, dass man den Programmierern
seitens Ocean ordentlich ins Handwerk gepfuscht hat. So sollte das Spiel
ursprünglich um einiges härter und realistischer ausfallen. Im Abspann
wird extra darauf hingewiesen, dass THE LOST PATROL
nur ein Computerspiel ist und niemals den wahren Schrecken des Krieges
zeigen kann.
Auch forderte man seitens Ocean eine höhere Gewichtung auf die
Arcade-Einlagen. Das erklärt auch, warum die Grafiken der Actionsequenzen
neben der restlichen Spielgrafik etwas verblassen, was man speziell
während der Mann-gegen-Mann deutlich auffällt.
Man hatte bei Ocean vermutlich Angst, dass ein Spiel ohne genügend Action
sich nicht ordentlich verkaufen würde. So hat die Pfuscherei seitens des
Vertriebes sicherlich verhindert, dass Spieldesigner Ian G. Harling alle
seine Ideen umsetzen konnte und das Spiel einiges seines Potentials
beraubt.
Was übrig bleibt, ist dennoch eines der atmosphärischsten Spiele
überhaupt, dass stundenlangen Spielspaß garantiert und sich alleine schon
dadurch aus der Masse aller anderer Kriegsspiele hervorhebt, dass es sich
diesem brisanten Thema sehr viel gewissenhafter annähert.
Getestet wurde nur die Amiga Version.
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